ESG im Wohnbau: 5 überzeugende Praxisbeispiele aus der DACH‑Region

Nachhaltig bauen, besser investieren: ESG-Kriterien werden zum Standard im Wohnbau – doch wie sieht gelebte Praxis aus? Wir zeigen fünf herausragende Projekte aus der DACH-Region, die ökologische, soziale und wirtschaftliche Maßstäbe setzen.

1. Wallenstein Berlin (Holzbaustandard + Community)

Bild von www.b-solution.com

Das Wohnquartier Wallenstein in Berlin-Karlshorst ist ein ambitioniertes Genossenschaftsprojekt der GSP eG, das bis 2027 etwa 197 neue Wohnungen – davon mehr als 100 geförderte WBS-Einheiten – realisieren wird. Ergänzt wird das Angebot durch eine Kindertagesstätte, Gemeinschaftsküchen, Werkstätten und grüne Innenhöfe, die aktiv von Bewohner:innen gestaltet werden.

Umwelt: Holzbau, Energieeffizienz & Klimaschutz

Das Projekt setzt auf Holzmassivbauweise: Die Obergeschosse bestehen aus Brettsperrholz-Elementen, während Erdgeschoss und Kita als stabile Massivbauten errichtet werden. Diese Bauweise bindet CO₂ und reduziert Graue Energie durch modulare Vorfertigung. Der energetische Anspruch liegt beim Effizienzhaus 55 EE: Luft-Wasser-Wärmepumpen, Photovoltaik auf sechs von sieben Dächern sowie ein Biogas-Spitzenlastkessel gewährleisten nahezu vollständige regenerative Wärmeversorgung. Regenwasser wird durch Retentionsdächer und Zisternen gespeichert, für Begrünung genutzt und versickert vor Ort.

Soziales: Solidarität & vielfältiges Wohnen

Mit einem sozialen Fokus vergibt GSP 100 Wohnungen via WBS, darunter auch rollstuhlgerechte Einheiten. Die Vergabe richtet sich gezielt an Menschen benachteiligter Gruppen – etwa Queers, Alleinerziehende, chronisch Kranke oder Mieter:innen aus prekären Situationen. Barrierefreie Zugänge, Wohnungskonzepte mit Clusterformen und gemeinschaftlich nutzbare Räume fördern soziale Inklusion und Nähe.

Governance: Gemeinschaftliche Organisation & Finanzierungstransparenz

Organisiert als Genossenschaft setzt GSP selbstverwaltete Strukturen mit über 330 Mitgliedern und thematische Arbeitskreise für Finanzen, Gemeinschaft, IT, KiTa usw. Das Finanzmodell kombiniert Genossenschaftsanteile (ca. 1 150 €/m²), solidarische Querfinanzierung, Bankdarlehen (GLS) und Fördermittel – so bleibt der Zugang zu bezahlbarem Wohnraum auch für einkommensschwächere Haushalte möglich GSP eG.

Zusammenfassung & Zukunft

Das Wohnquartier Wallenstein vereint ökologisch nachhaltige Holzbauweise, soziale Vielfalt und Inklusion sowie transparente, solidarische Governance. Mit modularem Serienbau und CO₂-armer Technik setzt es neue Maßstäbe im bezahlbaren ESG‑Wohnbau in Berlin und der DACH‑Region.

2. Massivholzwohnhaus Neu-Ulm

Bild von www.b-solution.com

Nachhaltiger Wohnbau mit Holz in Bayern gewinnt an Bedeutung – ein herausragendes Beispiel dafür ist das fünfgeschossige Massivholzwohnhaus in Neu-Ulm, realisiert von der NUWOG in Zusammenarbeit mit Projektbau Allgäu. Das Projekt umfasst 29 energieeffiziente Wohnungen, davon zehn barrierefrei, und erfüllt die Anforderungen an umweltfreundliches, sozial ausgerichtetes und wirtschaftlich tragfähiges Bauen gemäß ESG-Kriterien.

Umwelt: CO₂-reduzierter Holzbau & Energieeffizienz

Der komplett in Massivholz (Brettsperrholz) errichtete Rohbau inklusive Decken, Wänden und Aufzugsschacht sorgt für eine signifikante CO₂-Einsparung. Holz als nachwachsender Baustoff reduziert nicht nur die graue Energie, sondern ermöglicht auch eine kurze Bauzeit durch modulare Vorfertigung – ein Vorteil im nachhaltigen Wohnungsbau in Deutschland.

Ergänzt wird die Konstruktion durch hochdämmende Gebäudehülle und moderne Heiztechnik auf KfW-55-Standard-Niveau. Eine Tiefgarage mit Fahrradraum und eine zentrale Fußbodenheizung fördern umweltfreundliche Mobilität und erhöhen den Wohnkomfort.

Soziales: Barrierefreier, vielfältiger Wohnraum

Das Projekt richtet sich bewusst an unterschiedliche Zielgruppen – Familien, Senioren, Alleinstehende und Menschen mit Mobilitätseinschränkung. Zehn der 29 Wohnungen sind vollständig barrierefrei gestaltet, was den sozialen Aspekt des ESG-Konzepts unterstreicht. Flexible Grundrisse fördern Inklusion und generationenübergreifendes Wohnen.

Governance: Planbarkeit & ESG-konforme Finanzierung

Als kommunales Wohnbauprojekt legt die NUWOG besonderen Wert auf transparente Prozesse und wirtschaftlich planbare Baukosten. Durch die industrielle Vorfertigung der Holzmodule konnten Ausschuss reduziert und Bauzeit verkürzt werden. ESG-konforme Planung, klare Bauabläufe und die Erfüllung technischer Standards (Gebäudeklasse 4, Brandschutz, Schallschutz) machen das Projekt zu einem attraktiven Modell für Investoren und Förderprogramme.

3. Quartier am Rheinbogen, Duisburg

Von www.immobilienscout24.de

Das Quartier am Rheinbogen in Duisburg-Buchholz steht exemplarisch für energieeffizienten und sozial integrierten Wohnbau in Nordrhein-Westfalen. Zwei Mehrfamilienhäuser mit insgesamt 46 Wohneinheiten (2–3 Zimmer, 54–119 m²) und einer Gewerbefläche entstehen in massiver Bauweise – und das im hochmodernen KfW-40EE-Standard für gebäudeintegrierte Energiesparsysteme.

Umwelt & Energieeffizienz

Die Gebäude erfüllen die Energieeinsparverordnung KfW 40EE, was niedrige Heizkosten garantiert. Ausgestattet mit Luft-Wasser-Wärmepumpen, Fußbodenheizung mit Einzelraumsteuerung und 3-fach-Verglasung bietet das Quartier ein energieoptimiertes Wohnumfeld. Eine Tiefgarage mit Ladestation verbindet Komfort und E-Mobilität – ein wichtiger ESG-Aspekt zur Reduktion innerstädtischer CO₂-Emissionen .

Soziales & Lebensqualität

Barrierefreiheit ist Standard: Alle Einheiten sind mit Personenaufzug, barrierefreien Zugängen, bodengleicher Dusche und Balkonen konzipiert . Gemeinschaftliche Freiräume wie Grünflächen oder ein Hauszugang fördern Zusammenhalt und Nachbarschaft – essenziell für soziale Nachhaltigkeit.

Die Lage im grünen Stadtteil Buchholz, nahe Rheinaue, Kindergärten und Schulen, bietet familienfreundliches Umfeld und gute Infrastruktur.

Governance & Wirtschaftlichkeit

Realisiert von der Exklusiv Wohnbau Areal GmbH und beim Vertrieb provisionsfrei über die Volksbank Immobilien Niederrhein, setzt das Projekt auf transparente Baufinanzierung und förderfähige Gebäudestandards. Die Einhaltung von KfW-40EE öffnet Fördermittel und reduziert Investitionskosten. Qualitäts- und Baucontrolling sind durch interne und externe Sachverständige gewährleistet, was langfristige Gebäudetransparenz und Investitionssicherheit schafft

4. Grasdachsiedlung Laher Wiesen, Hannover

Von Axel Hindemith

Die Grasdachsiedlung Laher Wiesen in Hannover-Bothfeld ist ein wegweisendes Öko-Wohnprojekt aus den Jahren 1984–85 und zählt heute rund 80 Reihenhäuser mit etwa 350 Bewohnern – ein Pionier für nachhaltiges, soziales Wohnen im Bestand.

Umwelt: Grüne Dächer, Holzbau & Ressourcenschonung

Die Dächer sind großzügig begrünt (Grasdächer nach Minke-System), dichten hervorragend ab, isolieren thermisch und verlängern die Dachlebensdauer auf 40–60 Jahre. Holzfassaden, natürlicher Wandanstrich und unbedenkliche Materialien minimieren Graue Energie und chemische Schadstoffe. Regenwasser wird versickert, Kompostierung gefördert – ein Prinzip der Permakultur und grünen Infrastruktur im Wohnquartier.

Sozial: Gemeinschaft & Kollektives Bauen

Dieses Gruppenbauprojekt entstand als Bauherrengemeinschaft (GbR) initiiert durch Eltern der angrenzenden Waldorfschule. Die Bewohner wurden von Anfang an aktiv in Planung, Baustoffwahl und Bauablauf integriert – drei fachliche Betreuungskräfte erleichterten die Eigenleistungen (ca. 15 % der Arbeitsleistung). Heute lebt ein lebendiger, generationenübergreifender Mix: Pioniere der ersten Stunde treffen auf junge Familien mit Schulkindern – ein sozial durchmischtes Ökoquartier .

Governance: Kostenbewusst & historisch relevant

Mit Baukosten von nur rund 950 €/m² (inklusive Eigenleistung) war das Projekt besonders kosteneffizient. Die klare Organisationsstruktur in Form der GbR, dokumentierte Bauphasen und passive technische Lösungen (z. B. passive Solarenergienutzung, zentrale Blockheizkraftwerke) bildeten die Grundlage für transparente Prozesse und hochwertige Governance . Mediale Aufmerksamkeit (u. a. Das Haus titelte „Glück unter Gras“) bestätigte den bundesweiten Modellcharakter.

5. Wohnquartier Niederfeldplatz, Lörrach

Von Wladyslaw Sojka - Eigenes Werk, FAL, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=78297299

Von Wladyslaw Sojka – Eigenes Werk, FAL

Das Wohnquartier Niederfeldplatz in Lörrach zählt zu den wegweisenden CO₂-neutralen Wohnquartieren in Deutschland und wurde von 2010 bis 2013 realisiert. Als erstes seiner Art vereint es ein ganzheitliches ESG-Konzept aus Energie, Sozialem und Governance.

Umwelt: Photovoltaik, Solarthermie & Holzpelletheizung

Die vier Gebäude (vier- bis sechsgeschossig) sind mit großzügigen Photovoltaik‑Anlagen auf den Dächern und einer Solarthermie-Anlage an der Südfassade ausgestattet. Über eine zentrale Holzpelletheizung wird Wärme erzeugt, das System speist sogar Überschüsse. Dank energiesparender 3‑fach Verglasung, hochwertiger Dämmung und Energierückspeisung bei Aufzügen, entspricht der Primärenergiebedarf dem KfW‑55‑Standard und liegt unter 30 kWh/m².

Sozial: Barrierefreie Wohnungen & Quartiersleben

Mit 88 barrierefreien Wohnungen (1–5 Zimmer, 56–135 m²) bietet das Quartier flexible Wohnformen für Singles, Familien und Senioren Stadt Ludwigsburg. Ein gemeinschaftlicher Innenhof, Privatgärten für Erdgeschosswohnungen, ein großer Gemeinschaftsraum für bis zu 40 Personen sowie ein Gästeappartement fördern soziale Interaktion und Gemeinschaftsgefühl . Fahrradgaragen, Carsharing und E‑Ladesäulen in der Tiefgarage unterstützen nachhaltige Mobilität.

Governance: Zertifizierung, Transparenz & Auszeichnungen

Das Projekt wurde nach einem EU-weiten Architekturwettbewerb entwickelt, ausgewählt durch Thoma. Lay. Buchler Architekten. Die Stadt Wohnbau Lörrach finanzierte das Quartier mit ca. 22,5 Mio €, nutzte Fördermittel für KfW‑55-Standard und setzte auf transparentes Qualitätscontrolling. Mehrere Auszeichnungen – darunter der Deutsche Bauherrenpreis 2016, „Sun21-Jurypreis“ (2011) sowie Hugo‑Häring‑Preis (2014) – bestätigen seine hohe Qualität und Governance.

6. Fazit

Die fünf vorgestellten Projekte zeigen eindrucksvoll, wie Environmental, Social und Governance (ESG) im Wohnbau konkret und erfolgreich umgesetzt werden können. Ob durch CO₂-sparende Holzbauweise, soziale Inklusion, barrierefreie Konzepte oder transparente Finanzierungs- und Beteiligungsmodelle – nachhaltiger Wohnbau ist längst Realität. Wer heute plant, muss ESG ganzheitlich denken: ökologisch bauen, sozial handeln, verantwortungsvoll steuern.

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